Warum ausgerechnet Monschau?
Als Zugezogener beginnt eine typische Unterhaltung in Monschau wie folgt:
Monschauer: Aus Monschau?
Zugezogener: Jein, vor drei Jahren aus dem Rhein-Erft-Kreis zugezogen.
Monschauer: (große Augen) Warum? Warum ausgerechnet Monschau?
In meiner Geburtsstadt Köln käme niemand auf die Idee danach zu fragen. Warum sollte man auch nicht in diese herrlich stinkende Stadt mit einem Zweitliga-Fußballverein ziehen wollen?
Und Bedburg?
Selbst in Bedburg im Rhein-Erft-Kreis, ein Flecken Erde, meine Heimat für Jahre, die der Braunkohletagebau aus mir unbekannten Gründen leider nur teilweise verschmäht hat, stellte sich die Frage nicht. Schließlich ist Bedburg nah genug an Köln – man bekommt Kölsch in jeder Kneipe und ist theoretisch in 30 Minuten in der City.
Das klappt zwar praktisch nur Nachts um 3 Uhr, in der Hauptferienzeit, an Tagen wenn die Brummis Fahrverbot haben und es gerade keine Vollsperrung gibt. Trotzdem, das ist mehr als man braucht als Bedburger, um Bedburg einfach toll zu finden. Als rheinische Frohnatur hofft er täglich aufs Neue auf schnellen Autobahnverkehr.
Alles so furchtbar…
Der Monschauer dagegen findet seine Situation in Monschau einfach nur furchtbar. Die Altstadt stirbt, man kann dort nicht leben, man kann noch nicht einmal parken! (Jetzt ist es raus).
Jeder, der kann, zieht so schnell wie möglich weg. Es fehlt nur noch, dass jemand dem Ortsschild hinzufügt: Lauft weg, solange Ihr noch könnt!
Dabei hat der Monschauer doch nur den Blick für das Positive in Monschau verloren. Vielleicht weil sein Blick starr auf mögliche Parklücken gerichtet ist, oder aber weil Nachts schon einmal in der Laufenstraße die Straßenbeleuchtung fehlt. Da sieht man dann wirklich nichts mehr von der Schönheit Monschaus.
Also, Butter bei den Fisch. Warum Monschau-Altstadt?
Öffentliche, saubere, kostenlose, frei zugängliche Toiletten an jedem Ende der Stadt. Spätestens hier war Brügge für mich raus.
Bänke zum sitzen. Also sitzen ohne Kaffeetrinken und Kuchenessen. Einfach nur so bequem sitzen, nicht hocken wie in Köln. Also wie Hermann in Loriots Sketch „Feierabend“. Augenhöhe mit Teilen Barcelonas.
Die vielleicht freundlichsten Postboten der Welt, allen voran Ritchi. Wer morgens zu Hause arbeitet und trotzdem immer Heute-Jedoch-Nicht-Karten zugestellt bekommt kann mitfühlen wie wertvoll ein guter Postzusteller für die Lebensqualität ist.
Eine Restaurant in dem man bis Mitternacht etwas zu Essen bekommt. Wart Ihr mal außerhalb der Saison in Le Touquet-Paris-Plage, einem Ferienort mit 100% Seaview? Da schließt Ronald der Fast-Food-Clown um 21 Uhr nicht nur das Kinderparadies. In Monschau braucht man sich noch nicht einmal daran erinnern was man immer trinkt und isst. Der Barkeeper erledigt das ab dem zweiten Besuch automatisch.
Stetig gefüllte Hundetütchenspender, dank freundlicher Politessen. Nein Bedburg, der leere Spender alleine reicht nicht.
Keine Gefahr an jeder Ecke zu hören: Haste mal ne Mark. Ok, meine Zeit in Köln ist schon was her und auch ich weiß, die Bedürftigen nehmen heutzutage natürlich PayPal. Vielleicht wurden sie im Jobcenter auch in Freundlichkeit geschult, so dass man heute gerne gibt. Bei der sagenhaft geringen Arbeitslosenquote in Monschau muss man sich darüber aber keine Gedanken machen.
Einen eigenen Fluss mit eigenem Hochwasser. Auf Augenhöhe mit Köln! Bedburg hat zwar auch einen eigenen Fluss, aber kein Hochwasser – schwach. Kann ja noch werden – Go, Erft, go! (Keine Panik, wird nicht passieren.)
Die wahrscheinlich besten Nussecken der Welt. Und ich kenne sie alle.
Läden, die einem auch schon mal was besorgen, das nicht im Sortiment ist. Probiert das mal im Discounter. Und die liefern, ohne Aufpreis, zumindest wenn man seinen Rollator-Führerschein dabei hat. Und die einen in der Saison auch Sonntags nicht verhungern lassen.
Eine Bürgermeisterin, die man persönlich auf Facebook trifft. Kein PR-Team, das versucht den Kandidaten bei Nerds und Geeks anzubiedern. Jo-man, ich bin’s – Euer Facebook-Party-Horsti aus München.
Eine eigene Senfmühle, Brauerei und Kaffeerösterei. Frischer geht nimmer. Und lecker! Das gilt auch für die Metzgerei und unsere zwei Bäckereien. Dütchen und Vennbrocken.
Wasser mit denkbar wenig Kalk. Sagenhafte Nachtruhe wegen fehlendem Durchgangsverkehr. Mehrere Galerien. Stadt-wo-Trash-People-mal-waren und wo Christo, nicht mehr gewesen sein will. Es gibt Beweisfotos, Du Dummbatz! Drehort von Stadt im Tal alias Lugtal. Kulisse für Schimi.
Nette Mitbürger, die Sachen machen. Wie aktuell das Happy-Halloween-Wochenende mit Geisterführungen, Geisterlesungen, Konzerten und Party.
Alles in allem unglaublich viele Gründe nach Monschau in die Altstadt zu ziehen und zu arbeiten. Sorry, wenn ich was vergessen habe, aber Renate muss mal schnell das Auto umparken…
Ach ja. Fast hätte ich es vergessen:
Klare Luft, Fachwerkhäuser in kleinen Gassen und viel Natur. Naja, wer’s braucht…
tl;dnr
Die Altstadt von Monschau ist schön.